Mittlerweile sind die Fristen zur Schlussabrechnung der Corona-Überbrückungshilfen abgelaufen. Und viele Unternehmen bzw. deren Steuerberater als „prüfende Dritte“ erhalten derzeit die abschließenden Bescheide von der in Bayern hierfür zuständigen IHK für München und Oberbayern. Teilweise bestätigen sich die häufig noch auf Grundlage von prognostizierten Umsätzen und Fixkosten vorläufig bewilligten Summen. Bisweilen kommt es aber auch zu einer (Teil-)Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides und der Rückforderung ausgezahlter Beträge.
Soll gegen einen solchen Rückforderungsbescheid vorgegangen werden, ist zügiges Handeln erforderlich, da mit der Bekanntgabe die Klagefrist von 1 Monat anläuft. Ein Widerspruchsverfahren ist in Bayern nicht vorgeschaltet. Klage ist zum örtlich zuständigen Verwaltungsgericht (für Mittelfranken ist dies das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach) zu erheben. Wird die Klagefrist versäumt, wird der Bescheid bestandskräftig. Nach Bestandskraft bleibt allenfalls noch die Möglichkeit Stundung oder Ratenzahlung zu beantragen, um die unmittelbaren Folgen für die Liquidität zu dämpfen.
Die Entscheidung zur Klageerhebung muss dennoch wohlüberlegt getroffen werden. Mittlerweile hat sich bei den bayerischen Verwaltungsgerichten eine Rechtsprechung herausgebildet, die es für die Klägerseite extrem schwer macht, einen Anspruch auf Bewilligung tatsächlich durchzusetzen und eine Rückforderung so abzuwenden.
Bereits der Ansatzpunkt für die Begründung eines Anspruchs auf Gewährung von Corona-Überbrückungshilfe ist denkbar schwach.
Nach der gefestigten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte handelt es sich bei der Corona-Überbrückungshilfe um eine sog. Billigkeitsleistung nach Art. 53 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO), die ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird. Eine weitergehende gesetzliche Grundlage besteht nicht. Die Gewährung erfolgt auf Grundlage verwaltungsintern festgelegter Richtlinien nach pflichtgemäßen Ermessen im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel.
Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer solchen Billigkeitsleistung kann sich nur ausnahmsweise aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben. Man spricht dann von einer „Selbstbindung der Verwaltung“. Bildet sich eine ständige Praxis bei der Gewährung der Hilfen heraus, kann aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf Gewährung der Hilfe bei gleichgelagerten Sachverhalten abgeleitet werden. Indiz für eine solche Verwaltungspraxis können Förderrichtlinien, im Falle der Corona-Überbrückungshilfe insbesondere die hierzu veröffentlichten „FAQ“ sein.
Da sich ein Anspruch jedoch stets nur über den Umweg einer tatsächlichen Verwaltungspraxis begründen lässt, lehnen es die Gerichte regelmäßig ab, die in den FAQ der Überbrückungshilfe formulierten Voraussetzungen –anders als Gesetze und Verordnungen- auszulegen. Was beispielsweise „Fixkosten“ sind und was nicht, kann nicht durch Auslegung des Wortlauts der Richtlinie bzw. der FAQ ermittelt werden, sondern allein auf Grundlage der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Wurde eine bestimmte Kostenposition beispielsweise in ständiger Verwaltungspraxis nicht unter die Fixkosten gefasst, hilft im Klageverfahren auch die Überzeugendste Argumentation mit dem Wortlaut der in Richtlinie und FAQ niedergeschriebenen Voraussetzungen nicht weiter.
Der BayVGH hat hierzu folgendes Formuliert:
„Ein Anspruch auf Förderung besteht danach im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis der Beklagten auch positiv verbeschieden werden“ (BayVGH, Urt. v. 11.10.2019 , Az. 22 B 19.840)
Die nächste Hürde wird dadurch aufgestellt, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Überbrückungshilfe III nicht der Zeitpunkt der Antragsstellung im Verwaltungsverfahren bei der Behörde und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist. Vielmehr ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides abszustellen (BayVG, Beschluss v. 18.05.2022, Az. 6 ZB 20,438).
Neuer Tatsachenvortrag und die Vorlage neuer Unterlagen, die nicht schon im Verwaltungsverfahren vorgelegt waren, scheidet daher regelmäßig aus. Was also bis zur Schlussabrechnung bzw. in Reaktion auf Nachfragen der IHK nicht bereits vorgebracht wurde, kann, von vertiefenden Erläuterungen abgesehen, im Klageverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Das Vorliegen der Zuwendungsvoraussetzungen wird allein auf Grundlage der bis zur behördlichen Entscheidung eingegangenen Unterlagen bewertet (BayVGH, Beschluss v. 4.4.2023, Az. 22 ZB 22.2656).
Hieraus ergibt sich die für betroffene Unternehmen unangenehme Folge, dass die Klage schon dann scheitern kann, wenn die Beklagte IHK vortragen kann, dass eine Förderung in vergleichbaren Fällen in ständiger Verwaltungspraxis zum maßgeblichen Zeitpunkt (ebenfalls) nicht gewährt wird.
Es fällt hier in der Regel schon schwer, konkrete Anhaltspunkte für eine abweichende Verwaltungspraxis hinreichend substantiiert vorzutragen. Die bloße Erwähnung einzelner abweichender Entscheidungen (etwa: „Unternehmen X hat diese Position Y aber bewilligt bekommen“) führt in der Regel noch nicht zum Nachweis einer tatsächlich vorliegenden Verwaltungspraxis, da in Massenverfahren wie der Gewährung von Corona-Überbrückungshilfe auch „Ausreißer“ vorkommen können, ohne dass hierdurch eine, die Verwaltung bindende Verwaltungspraxis begründet würde.
Vor diesem Hintergrund sollte die Sach- und Rechtslage rechtzeitig vor Klageerhebung genau geprüft werden, um eine tragfähige Prognose über die Erfolgsaussichten treffen zu können.
Da die IHK für München und Oberbayern sich bei den bayerischen Verwaltungsgerichten regelmäßig anwaltlich vertreten lässt, ist das Kostenrisiko für die Einreichung der Klage recht hoch. Bei Unterliegen oder Klagerücknahme sind nämlich regelmäßig auch die angefallenen Anwaltskosten der Gegenseite zu ersetzen. Eine fristwahrende Klageerhebung mit der Option, diese nach näherer Prüfung der Sach- und Rechtslage wieder zurückzunehmen ist damit zwar möglich, finanziell aber regelmäßig unattraktiv.
Freilich kann die Klageerhebung auch allein aufgrund ihrer aufschiebenden Wirkung u.U. interessant sein. Die Klage hindert die Bestandskraft des Rückforderungsbescheides, weshalb für die Dauer des Verfahrens die Rückzahlung auch nicht zu leisten ist (auch wenn etwaige Verzugszinsen ggf. weiterlaufen). Der Aufschub ist –gerade im Vergleich zu einer günstigeren Stundung- bisweilen aber teuer erkauft.
Setzen Sie sich für eine fundierte Einschätzung Ihrer Erfolgsaussichten daher rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist in Verbindung.
TS